Heimat der Ureinwohner

Für 60 Millionen Ureinwohner ist der Regenwald Heimat, Quelle für Nahrung, Medizin und Hausbau sowie ein spiritueller Ort. Jedes indigene Volk hat seine eigene Entwicklungsgeschichte, seine eigene Kultur, Sprache und seine ganz eigene Lebensweise.

Wer ist indigen?

Indigen bedeutet eingeboren. Indigene Völker sind gemäss UN-Definition Bevölkerungsgruppen, die sich als Nachkommen der Bewohner eines bestimmten räumlichen Gebietes betrachten. Sie lebten bereits vor der Eroberung, Kolonisierung oder Staatsgründung durch Fremde in diesem Gebiet und haben enge Bindung an ihren Lebensraum. Zudem verfügen indigene Völker über eine ausgeprägte ethnisch-kulturelle Identität als Gemeinschaft mit eigenen soziopolitischen und kulturellen Traditionen.

Ureinwohner der Regenwälder

Allein in Lateinamerika gibt es mehr als 400 indigene Völker. Man zählt mehr als 700 gesprochene indigene Sprachen. Brasilien weist dabei mit über 170 Sprachen – neben der portugiesischen Staatssprache – auf seinem Territorium die grösste Vielfalt auf. Beispiele für Naturvölker des Regenwaldes in Südamerika sind die Yanomami, die in Brasilien und Venezuela leben oder die Huaorani in Ecuador. In Afrika bewohnen die Pygmäen die Regenwälder im Kongobecken. Auf der südostasiatischen Insel Borneo heissen die Ureinwohner Dayak. Schätzungsweise 150 indigene Stämme, darunter die Awá im brasilianischen Amazonasgebiet, leben ohne Kontakt zur Aussenwelt. 

Auch wenn alle indigenen Völker unterschiedliche Kulturen haben, so haben doch alle eine sehr enge Beziehung zu ihrer natürlichen Umwelt. Die Beziehung zwischen indigenen Völkern und ihren angestammten Gebieten basiert auf Harmonie mit der Natur. Für die Kichwa-Völker des ecuadorianischen Amazonas beispielsweise findet diese Beziehung Ausdruck im Prinzip des sumak kawsay. Das bedeutet das «gute Leben». Diesem Prinzip liegt ein ganzheitliches Verständnis der Natur zugrunde, in dem nicht nur den Menschen die Eigenschaft als Wesen zugeschrieben wird, sondern auch Tieren, Pflanzen, Wälder oder Wasserfällen sowie Sonne und Mond. 

Links: Traditionelles Essen der Achuar in Ecuador. Rechts: Dorfältester Achuar mit Enkeln und Urenkeln (© AMAZONICA)

Indigene sind die besten Regenwaldschützer

Ureinwohner der Regenwälder sind in höchstem Mass auf den Wald angewiesen: für ihre Nahrung, für ihre Behausung, für Alltagsgegenstände, aber auch für Medizin. Sie verfügen daher über ein grosses Wissen über die Tiere und Pflanzen und ihre Wechselbeziehungen und wofür man sie nutzen kann. 

Da der Regenwald ihre Heimat ist, tragen Indigene Sorge zu ihm. Eine kürzlich erschienene Studie bestätigt: Die Regenwälder sind dort besonders gut geschützt, wo indigene Völker leben und die Verantwortung tragen. So befinden sich in Amazonien 45 Prozent der intakten Wälder in indigenen Territorien. Dort sind zwischen den Jahren 2000 und 2016 nur rund 5 Prozent der Wälder verschwunden. Ausserhalb dieser Gebiete waren es dagegen 11 Prozent.

Die Rechte Indigener zu wahren und zu stärken, ist somit zentral, wenn wir die Wälder und ihre Artenvielfalt erhalten und der Klimakrise entgegenwirken wollen. Zentral sind auch gesicherte Landrechte, die vom Staat anerkannt werden und gegen das Einfallen von Holzfällern und Farmern sowie vor Landraub schützen.

Der Interamerikanische Gerichtshof für Menschenrechte misst seit den 2000er-Jahren dem Schutz indigener Landrechte einen hohen Wert bei. Zudem hat er den Indigenen eine wichtige Rolle für den Umweltschutz zugeschrieben, beispielsweise 2016 beim Fall der Kaliña- und Lokono-Indigenen gegen die Republik Suriname. Der Gerichtshof hielt dabei fest, dass indigene Völker aufgrund ihrer engen Beziehung zur Natur einen signifikanten Beitrag zur Erhaltung der Umwelt leisten. Die Sicherung indigener Landrechte ist deshalb von zentraler Bedeutung für den Schutz der verbleibenden Regenwälder. 

Raubbau zerstört die Heimat der Indigenen

Doch das Überleben der Naturvölker ist zunehmend bedroht. Immer wieder dringen illegale Holzfäller, Goldschürfer, Siedler oder Wilderer in die Gebiete ein und zerstören ihre Heimat. Dabei kommt es zwangsläufig zu gewalttätigen Konflikten und zur Vertreibung der indigenen von ihrem angestammten Land. Ein weiteres Problem ist die Übertragung von Krankheiten, gegen die die Indigenen oft nicht über die nötigen Antikörper verfügen. Nicht zuletzt bedroht auch die Errichtung von Staudämmen im Namen des Klimaschutzes die Heimat indigener Völker.

Nicht alle Indigenen kennen ihre Rechte und können sich wehren. Oft werden sie auch gezielt mit falschen Informationen, mit Druck, Gewaltandrohung oder Entschädigungen, die später nicht ausbezahlt werden, zu einer Entscheidung gedrängt. Einzelne indigene Gruppen können mit Hilfe von Menschenrechtsorganisationen und freiwilligen UnterstützerInnen gegen diese Ungerechtigkeiten kämpfen. In einigen Fällen – nach langjährigen Gerichtsprozessen – sogar mit Erfolg. 

Landraub und Gewalt gegen Indigene im Regenwald. Links: VertreterInnen der indigenen Völker Brasiliens machten auf die Folgen des Belo-Monte-Staudamms aufmerksam. Rechts: Demonstrierender Apiaká vor einer Polizeiblokade in Rio de Janeiro (© Brent Millikan/International Rivers via Flickr).